Auf der Basis des Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie sind die Offenlegungspflichten kapitalmarktorientierter Unternehmen erstmals seit langer Zeit wieder merklich reduziert worden. So ist auch die gesetzliche Pflicht zur quartalsweisen Veröffentlichung von Zwischenmitteilungen der Geschäftsführung seit dem 26.11.2015 entfallen. Eine Anpassung der Börsenordnung war hier nur folgerichtig. Diese Erleichterung in der Quartalsberichterstattung ist Gegenstand des Beitrags. Es wird konkret die Qualität der Quartalsmitteilungen am deutschen Kapitalmarkt seit Einführung der Gesetzesänderung untersucht.
Weniger ist weniger?
(2020)
Die Quartalsberichterstattung ist ein umstrittenes Thema in Wissenschaft und Praxis. Heute, fünf Jahre nach der Änderung der Berichtspflicht für kapitalmarktorientierte Unternehmen in Europa, wird ein Blick in die gängige Praxis des Prime Standard geworfen, um zu ermitteln, wie Unternehmen trotz geminderter Anforderungen die Offenlegung relevanter Informationen konkret umsetzen. Dazu analysiert der Beitrag die Quartalsberichte bzw. -mitteilungen der Unternehmen aus DAX, MDAX und SDAX in einem Längsschnitt von 2016 bis 2019. Schließlich werden aus den Ergebnissen der Untersuchung induktiv Handlungsempfehlungen in Form eines ‚Best Practice‘ abgeleitet.
Österreichische Unternehmen kommunizieren Nachhaltigkeit oftmals genauso gut und teilweise sogar besser als deutsche Unternehmen. Lediglich im Vergleich zu den größten deutschen Unternehmen herrscht Aufholholbedarf. Das ist das wesentliche Ergebnis einer neuen Studie der Hamburger Agentur für Finanz- und Unternehmenskommunikation Kirchhoff Consult AG, die unter Federführung der HHL Leipzig Graduate School of Management und in Zusammenarbeit mit der CIRA (Cercle Investor Relations Austria), der Interessengemeinschaft für Investor Relations in Österreich, erstellt wurde.
Im Rahmen der Studie wurde die Nachhaltigkeitskommunikation der 38 Unternehmen im österreichischen Aktienindex ATX Prime untersucht. Dabei wurden die Unternehmen hinsichtlich der Qualität ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung, der Verknüpfung von Nachhaltigkeitsthemen mit der Corona-Pandemie sowie ihrer Kommunikationsbreite analysiert. Die einzelnen Bewertungen in diesen drei Kategorien wurden zu einem Sustainability Score zusammengefasst.
Im Durchschnitt erreichen die ATX-Unternehmen einen Sustainability Score von 58 %. Damit liegen sie zwar hinter den Unternehmen im deutschen Leitindex DAX (71 %), aber gleichauf mit den Unternehmen im deutschen Mid-Cap-Index MDAX (58 %). Im Vergleich zum deutschen Small-Cap-Index SDAX (47 %) und zum DAX160 (56 %), der alle Unternehmen aus der DAX-Indexfamilie enthält, schneidet der ATX besser ab.
Insgesamt liegt das Qualitätsniveau innerhalb des ATX Prime dicht beieinander. 31 der 38 Mitglieder haben einen Sustainability Score von 50 % oder höher. Den höchsten Wert erreichte die AMAG Austria Metall AG (85,0 %), gefolgt von der Österreichischen Post AG (80,0 %). Auf dem dritten Platz lagen die Palfinger AG, Zumtobel Group AG, Raiffeisen Bank International AG und Lenzing AG (jeweils 77,5 %).
„Die Qualität der Nachhaltigkeitskommunikation von österreichischen Unternehmen ist insgesamt solide und kann sich auch im Vergleich zum Gros der deutschen Unternehmen sehen lassen“, sagt Professor Dr. Henning Zülch von der HHL Leipzig Graduate School of Management. Weiterhin betont er: „Die Mitglieder im ATX Prime können vor allem durch eine umfassende Berichterstattung über die gesetzlichen Mindestangaben hinaus überzeugen. Nahezu alle Firmen berichten über freiwillige Inhalte. Das verdeutlicht, dass Nachhaltigkeit ein Top-Thema ist. Und auch in der transparenten Offenlegung des Wesentlichkeitsprozesses sowie der Einbindung ihrer Stakeholder bei Nachhaltigkeitsthemen schneiden die Unternehmen gut ab. Im Vergleich zu den DAX-Unternehmen haben die ATX-Unternehmen aber noch Aufholbedarf.“
„Die Nachhaltigkeitskommunikation der österreichischen Unternehmen hat sich deutlich weiterentwickelt. Das ist aber noch kein Grund zum Ausruhen. Die Anforderungen an die ESG-Berichterstattung verschärfen sich weiter durch neue Vorgaben der internationalen Investoren sowie neue Regularien wie beispielsweise die Corporate Sustainability Reporting Directive “, ergänzt Jens Hecht, Managing Partner der Kirchhoff Consult AG.
Die Qualität der Finanzkommunikation österreichischer Unternehmen in Zeiten der Corona-Pandemie ist ausbaufähig. Im Durchschnitt erreichten die untersuchten 38 Unternehmen des ATX Prime Standards ein Corona-Score von rund 32%. Der Durchschnittswert aller DAX-Konzerne Deutschlands lag demgegenüber bei 61%.
Anders als im DAX30 liefern die Unternehmen des ATX Prime eine sehr heterogene Qualität. Dies wird wie folgt deutlich: In der nationalen Wertung erreichen 12 der untersuchten österreichischen Gesellschaften mehr als 50%, über 60% der ATX-Prime-Unternehmen erzielten lediglich zwischen 50% und 1%. Die Spitzengruppe bilden Wienerberger, Zumtobel, Voestalpine und Raiffeisen Bank International mit jeweils über 75%. Wienerberger gilt als Vergleichsmaßstab und setzt die Benchmark mit
100%.
Aus Sicht der Corona-Finanzkommunikation heben sich deutsche Unternehmen deutlich von den österreichischen ab. Die besten deutschen Unternehmen erfüllen die Erwartungen des Kapitalmarkts besser. Dies wird am folgenden Vergleich deutlich: die deutschen Top-5-Unternehmen sind Deutsche Bank AG (12 von 16 möglichen Punkten), INDUS Holding AG (11,5 Pkt.), PUMA SE, QIAGEN N.V. und Hapag-Lloyd AG (alle 10,5 Pkt.). Der österreichische Spitzenreiter Wienerberger AG erzielt 9 von 16 möglichen Punkten und würde damit im Ranking der DAX160-Unternehmen auf Rang 11 landen. Das zweitplatzierte Unternehmen in Österreich, Zumtobel Group AG, wäre auf Platz 33 zu finden.
Besonders verbesserungswürdig ist die Kommunikation zu den finanziellen Auswirkungen der Pandemie und der Prognose zur Geschäftsentwicklung im weiteren Jahresverlauf.
Die untersuchten Unternehmen äußern sich unzureichend zu den Auswirkungen der Pandemie auf die VFE-Lage.
Die ATX Prime-Gesellschaften informieren gut bis sehr gut über den Schutz von Mitarbeitern und Arbeitsplätzen (74%), im Vergleich zu 56 % der DAX160-Unternehmen.
Bei der Qualität der Prognosen erreichen die ATX Prime-Unternehmen insgesamt nur die Hälfte der Punkte der im DAX gelisteten Unternehmen in Deutschland.
Die Financial Community muss sich ein möglichst realistisches Bild von der aktuellen und künftigen Geschäftslage machen können. In Krisenzeiten gilt: lieber ungenauer als überhaupt nicht kommunizieren.
Die Folgen der Corona-Pandemie lassen sich inzwischen besser abschätzen als im Frühjahr 2020. Daher steigt die Erwartung an die Unternehmen, dass deren Ausblick wieder mit konkreten Zahlen unterfüttert wird.