FG 1: Musiktheorie / Komposition / Musikwissenschaft / Musikpädagogik / Musikermedizin
Im Mittelpunkt dieses Buches stehen vier inhaltlich aufeinander aufbauende, experimentelle musikpsychologische Untersuchungen, die im Rahmen meines Dissertationsprojektes am Institut für Systematische Musikwissenschaft der Universität Hamburg zwischen dem Frühjahr 2015 und Sommer 2017 durchgeführt wurden. Diese Arbeit stellt eine geringfügig angepasste Version meiner an der Fakultät für Geisteswissenschaften im Herbst 2019 eingereichten Dissertation dar. Das hier vorliegende Buch soll vorwiegend einen Beitrag zur musikpsychologischen Grundlagenforschung in den multi- und interdisziplinären Forschungsbereichen Musikalische Gestik und Sonifikation leisten. Darüber hinaus bieten die im Verlauf des Textes vorgestellten Ergebnisse Anknüpfungspunkte für Übende, Trainierende, Wettkämpfer*innen und Performer*innen aus den Domänen Musik, Sport, Tanz und weiteren darstellenden Künsten. Zugleich werden Implikationen in therapeutische und rehabilitative Anwendungs- und Praxisbereiche aufgezeigt.
Vor etwa 30 Jahren erfuhr die Musikpsychologie gewissermaßen eine Renaissance im Sinne eines körperorientierten Diskurses über die Verbindung von Musik und Bewegung, der seitdem von Forschenden aus verschiedenen Perspektiven mit unterschiedlichen Zielen geprägt wird. In diesem Rahmen wurden Theorien einiger Musikforscher*innen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nach langer Zeit wieder aufgegriffen. Dabei etablierte sich ein Forschungsgebiet, in dessen Rahmen die Vielfalt angewendeter Methoden und technischer Fortschritte zur Untersuchung grundlegender psychologischer Prozesse und performance-orientierter Fragestellungen zur Wahrnehmung und Ausführung musikbezogener Bewegungen stetig wächst. In diesem Zusammenhang ist daher eine historisch-orientierte Auseinandersetzung mit der Erforschung musikalischer Gesten genauso relevant, wie die Beschäftigung mit aktuellen Forschungsprojekten zu psychologischen Vorgängen von musikbezogenen Bewegungen. Besondere Schwerpunkte bilden dabei Untersuchungen zu Prozessen der Wahrnehmungs-Handlungs-Kopplung, des Embodiments, Multimodaler Integration und Agency sowie zur Koordination, zum Lernen oder zum Fertigkeitserwerb von Bewegungen.
Von jeher gilt Leonardo Leo (1694-1744) nicht nur als wichtiger Komponist, sondern auch als bedeutender Kompositionslehrer. Zeitweilig, so die Überlieferung, sei die neapolitanische Musiklandschaft von einem Gegensatz zweier Systeme oder Schulen geprägt gewesen, mit Anhängern Leos auf der einen und Francesco Durantes (1684-1755) auf der anderen Seite. Vor allem im Zuge der Partimento-Forschung hat sich die jüngere Musikforschung dieser Musiklandschaft, ihren Institutionen und Hauptfiguren wieder verstärkt zugewandt. Geblieben ist dabei eine mythologisierende und verklärende Patina, die Leos Bild und das seines Umfelds im Laufe der Zeit überdeckt hat. Diese Schichten sucht Hans Aerts anhand institutionsgeschichtlicher, biografischer, quellenkritischer, musiktheoretischer und musikanalytischer Studien abzutragen. Er rekonstruiert den Rahmen, in dem Musiker in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Neapel ausgebildet wurden, beleuchtet Leos Laufbahn und seinen Schülerkreis, untersucht die Hintergründe der Überlieferungen zum Gegensatz zwischen Leisti und Durantisti und erforscht die Quellen, die mit Leos Unterrichtspraxis in Verbindung gebracht worden sind. Ein besonderer Schwerpunkt ist dabei die Analyse eines Korpus von 50 Solfeggi. Häufig schwingt bei diesen Untersuchungen auch die Frage mit, welche Perspektiven sich daraus für die heutige musiktheoretische Lehrpraxis ergeben.
Performing Time
(2023)
Music and dance can change our sense of time. Both rely on synchronizing our attention and actions with sounds and with other people, both involve memory and expectation, and both can give rise to experiences of flow and pleasure. Performing Time explores our experience of time in dance and music, from the perspectives of performers and audiences, and informed by the most recent research in dance science, musicology, neuroscience, and psychology. It includes discussions of tempo and pacing, coordination and synchrony, the performer's experience of time, audiences' temporal expectations, the effect of extreme slowness, and our individual versus collective senses of time. At its core, the book addresses how time and temporality in music and dance relate to current psychological and neuroscientific theories as well as to the aesthetic aims of composers, choreographers and performers. Bringing together new research on rhythm, time and temporality in both music and dance in one volume, the book contains overview chapters on the state of the art from leading researchers on topics ranging from the psychology, neuroscience, and philosophy of musical time to embodied timing in dance. In addition, numerous case studies regarding our temporal experience of music and dance are provided in shorter focus chapters, with their implications for further scientific study and artistic enquiry. Performing Time is an invaluable and comprehensive resource for students, researchers, educators, and artists alike, and for any reader interested in how the performing arts construct and play with time in our minds and bodies.
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