In diesem Aufsatz wird eine Übersicht zum derzeitigen Kenntnisstand von Trans*-Menschen gegeben, die sich als non-binary oder genderqueer bezeichnen. Diese erhalten den Autor_innen nach zunehmend stärker Aufmerksamkeit von Behandler_innen und im Recht, wenn es um die Anerkennung eines nicht-binären Geschlechts geht. Außerdem wird erläutert, inwieweit Behandler_innen diese Menschen unterstützen können.
Die Autor_innen vollziehen den "Paradigmenwechsel" in der Diagnostik und Versorgung von Trans* anhand nationaler und internationaler Krankheitsklassifikationssysteme und Begutachtungs- und Versorgungsleitlinien nach. Vorgestellt und kritisch reflektiert werden die Diagnosen in den Klassifikationssystemen ICD-10 ("Transsexualismus", 2005) und DSM-5 ("Gender Dysphoria", 2013). Zudem vergleichen die Autor_innen die sozialmedizinische Begutachtungsrichtlinie des MDS (Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenversicherungen) mit der 7. Version der Standards of Care. Abschließend werden in einer Tabelle die binär-kategorialen Positionen zu Transsexualität im 20. Jahrhundert den Positionen zu Beginn des 21. Jahrhunderts gegenübergestellt.
Die Autor_innen befassen sich mit der Frage, ob es bei Trans*personen einen Zusammenhang zwischen der sexuellen Orientierung und dem Ergebnis des geschlechtlichen Angleichungsprozesses gibt. Lange galt in der Psychologie und Psychoatrie, dass ein Angleichungsprozess als gelungen zu bewerten sei, wenn am Ende eine heterosexuelle Orientierung stünde. Viele Studien zeigen dem Artikel nach aber, dass die sexuelle Orientierung bei Trans*-Menschen eine große Bandbreite besitzt. Einige Studien bezeichnen den Anteil nicht-heterosexueller Orientierungen unter Trans*-Menschen als größer als bei Cis-Populationen. Die Autor_innen argumentieren, dass heteronormative Annahmen seitens Therapeut_innen trans*geschlechtliche Klient_innen verunsichern und einschränken können und plädieren für Sensibilierung.
Die Autor_innen geben aus Perspektive klinischer Mediziner_innen einen Überblick über den Umgang mit Kindern und Jugendlichen "mit Phänomenen rund um das fortgesetzte Erleben von Geschlechtsdysphorie". Im Fokus steht die Frage danach, auf welcher Basis und auf welche Weise geschlechtsangleichende Maßnahmen/"irreversible Behandlungsmaßnahmen" vor dem 18. Lebensjahr zu rechtfertigen und umzusetzen sind. Vorgestellt werden Studienergebnisse von Nachuntersuchungen zu Geschlechtsdysphorie im Kindesalter, denen zufolge es aus klinischer Perspektive unmöglich ist, bei Kindern und Jugendlichen eine sichere Prognose des zukünftigen Geschlechtsidentitätserlebens zu stellen. Auf dieser Basis geben die Autor_innen praktischen Einblick in das Versogungskonzept der „Interdisziplinären Spezialsprechstunde für Kinder und Jugendliche mit Variationen der Geschlechtsidentität“ in Hamburg: Eingegangen wird auf Diagnostik, psychotherapeutische Rahmenbedingungen, "Pubertätsunterdrückung und Behandlung mit Sexualhormonen" sowie weitere Versorgungsmaßnahmen.
In dieser quantitativen Studie untersuchen die Autor_innen geschlechtsspezifische Determinanten, die die Lebensqualität von Trans*frauen und Trans*männern beeinflussen können. Die Ergebnisse sollen zu einer verbesserten und bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung von Trans*personen beitragen. Die Studie zeigt, dass insbesondere schlechter Schlaf signifikant zu einer geringeren Lebensqualität bei Trans*männern sowie Trans*frauen beiträgt. Weitere Faktoren, wie zum Beispiel Schmerzen sowie subjektive Zufriedenheit mit dem eigenen Körper, weisen hingegen unterschiedliche Effekte auf die Lebensqualität zwischen Trans*männern und Trans*frauen auf.
Die Autor_innen führen die Ergebnisse eines partizipativen Forschungsprojektes zur Trans-Gesundheitsversorgung in Deutschland aus: Dabei wurden 415 trans Personen über einen gemeinsam mit Vertreter_innen der Trans-Selbsthilfe und niedergelassenen Ärzt_innen mit Behandlungserfahrung von trans Patient_innen entwickelten Online-Fragebogen zu ihren Erwartungen an Gesundheitsversorgung befragt. Gefordert wird zentral eine individualisierte und partizipative Behandlung durch spezialisierte und geschulte Fachkräfte, die auf die unterschiedlichen Bedürfnisse von trans Personen eingeht - bspw. auf Unterschiede zwischen binären und nonbinären trans Personen - und kommunikative und sozialer Aspekte im Behandlungsprozess berücksichtigt. Involvierte Fachhkräfte müssten dazu eigene heteronormative Einstellungen in Bezug auf Geschlecht und Sexualität kritisch reflektieren.
Die Autor_innen geben Einblick in den Wissensstand zu genderqueeren oder nicht-binären / non-binary Geschlechtsidentitäten, der Lebenssituation und den Diskriminierungserfahrungen von non-binary Personen sowie Diskussionen um deren Anerkennung in rechtlichen, medizinischen und psychologischen Konzeptionen und Regelungen. Der Artikel adressiert insbesondere Professionelle aus Psychotherapie und Psychiatrie und diskutiert, inwiefern Mediziner_innen in ihrer Praxis non-binary Patient_innen angemessen begegnen und unterstützen können.
Die vorliegende partizipative Studie geht der Frage nach, welche Wünsche und Bedenken transgeschlechtliche Personen gegenüber interdisziplinären Transgender-Versorgungszentren in Deutschland haben, die sich auf transitionsbezogene medizinische sowie psychotherapeutische Bedarfe richten. Barrierearmer Zugang zu Transgender-Versorgungszentren, selbstbestimmte Entscheidungen bezüglich geschlechtsaffimierenden Maßnahmen, individualisierte Versorgung sowie weitere Angebote der Gesundheitsversorgung (z.B. Krebsscreening, Knochendichtemessung, Fruchtbarkeitsbehandlungen) sind Wünsche, die die Mehrheit der Befragten angegeben haben. Bedenken gegenüber Transgender-Versorgungszentren wurden von den Befragten hingegen weniger angegeben als zuvor von den Autor_innen vermutet.
Die Autor_innen Nieder & Núñez stellen in dem Artikel Handlungsempfehlungen vor, um die medizinische Versorgungssituation von Trans*personen mit einer Geschlechtsdysphorie individualisiert, partizipativ und interdisziplinär sowohl vor als auch nach möglichen sozialen und/oder körperlichen Transitionsmaßnahmen zu verbessern. Mögliche Spannungsfelder und Herausforderungen in der Versorgung und Betreuung von Trans*personen werden dabei thematisiert sowie strukturelle und interpersonelle Stigmatisierung von Trans*personen im Gesundheitssystem problematisiert.